Das Elend mit den Anbauvereinigungen

In Deutschland ist es seit dem 1. Juli 2024 möglich, als Anbauvereinigung eine Genehmigung zum gemeinschaftlichen Anbau und zur Abgabe von Cannabis an Mitglieder zu beantragen. Doch das ist leichter gesagt, als getan. Eine Meinung dazu.

Ich will ja nicht sagen: "Ich habe es euch ja gesagt..."

Aber: "ICH HAB ES EUCH JA GESAGT !"

CAV Titelbild

Eine Vorbemerkung, bevor ein Shitstorm losbricht. Ja. Ich finde Cannabis Anbauvereinigungen (CAV) gut. Richtig gut sogar. Mir gefällt der Gedanke, dass in einem enthusiastischen Kollektiv Menschen mit gleichen Interessen gemeinsam ein Ziel verwirklichen. Und ich weiß, dass es in Deutschland solche Vereine gibt. Liebe Leute, ich habe Hochachtung vor eurem Engagement und vor eurem persönlichen Einsatz. Unter den richtigen Bedingungen sind solche Vereine ein probates Mittel, um den Schwarzmarkthandel mit Cannabis zu verringern. Aber bei den "richtigen Bedingungen" fangen die Probleme schon an. Darüber möchte ich hier meine persönliche Ansicht zum Besten geben. Mein Name ist Olaf Francke. Ich bin Vorsitzender des ersten eingetragenen Cannabis Consum Clubs (CCC) in Deutschland.

"Die Legalisierung ist da!" postulierten tausende Cannabiskonsumenten beim "Ankiffen" im April 2024 in Berlin am Brandenburger Tor. Lecker duftige Dampfwolken hüllten das Publikum ein, belächelt von Polizisten, die eigentlich auch ganz froh waren, fortan nicht jedem Joint hinterherlaufen zu müssen, um Anzeigen wegen "Rauschgiftkriminalität" zu schreiben. Was war passiert?

Nun, die Bundesregierung hatte gegen massiven Widerstand (auch aus den eigenen Reihen) ein Gesetz durch Bundestag und Bundesrat gebracht, das als "KonsumCannabisGesetz"(KCanG) den z.T. öffentlichen Konsum und den Besitz bestimmter Mengen Cannabis, sowie den "Eigenanbau" und den "gemeinschaftlichen Anbau" von Cannabis straffrei stellt. Mit Legalisierung hat das allerdings nichts zu tun, denn gem. §2 KCanG sind Besitz und Weitergabe verboten. Es gibt aber Ausnahmen.

KCanG § 2

Erlaubt ist der Besitz von 50g Cannabis (z.B. Blüten, Haschisch) am gewöhnlichen Aufenthaltsort und das Mitführen von 25g. Außerdem dürfen Erwachsene bis zu drei Cannabispflanzen (blühende Pflanzen) zu Hause anbauen. Der Konsum ist hier und da in der Öffentlichkeit gestattet, allerdings versuchen die Reprohibitionisten, diese Freiräume mit Verordnungen und Erlassen massiv einzuschränken. Und dann sind da eben noch die Anbauvereinigungen, also eingetragene, nicht wirtschaftliche Vereine, deren Mitglieder laut Gesetz "gemeinschaftlich" Cannabis anbauen dürfen und dieses dann an die Mitglieder abgeben.

Lauterbachs großer Wurf gegen den Schwarzmarkt, zumindest, wenn man den vollmundigen Versprechen Glauben schenkt. Sollte man aber besser nicht tun. Ob der Gesundheits- und Bubatzminister sich das selbst ausgedacht hat? Nein, natürlich nicht. Die Regierung hat dieses kernbehinderte Gesetz gefeiert, als habe man goldene Eier gelegt, tatsächlich ist es nichts weiter als ein Konglomerat von Plagiaten, wenn man das so krass ausdrücken will, ein Eiertanz zwischen Koalitionsdisziplin, Europabürokratie und Zuckerbrotpolitik gegenüber konsumierenden Wählern, immerhin in Millionenstärke. Das hat der sogenannte "Weedmob" oder "Weederstand" im Vorfeld der Entscheidung über die Anrufung des Vermittlungsausschusses öffentlichkeitswirksam klargemacht.

Was die Regierung also hier als großartigen "Paradigmenwechsel" verkauft, um ihren Koalitionsvertrag irgendwie zu erfüllen, ist in anderen Ländern längst Standard. Die vielbeschworene Rolle als "Vorreiter einer bedarfsorientierten Drogenpolitik" ist im Grunde die eines Hinterherläufers. Spanien, Portugal, Malta, Luxemburg, Tschechien und auch die Niederlande praktizieren (in ähnlichen Formen) auch die Duldung des Anbaus, Besitzes und Konsums. Legalisiert hat da niemand etwas. Auch der gemeinschaftliche Anbau und die Einrichtung sogenannter "Cannabis Social Clubs" (CSC) ist keine deutsche Erfindung, eigentlich gar nichts an dem Gesetz.

Das Problem einer echten Legalisierung ist der EU Rahmenbeschluss RB 2004 757 JI, hier Artikel 2 Absatz 1. Der Absatz 2 ist quasi die Grundlage des KCanG, dazu in einem anderen Artikel mehr. Kehren wir zurück zum Thema CAV.

Mary Jane

Die in Aussicht gestellte Gestattung von gemeinschaftlichem Anbau wurde groß gefeiert. Bereits im Vorfeld des tatsächlichen Gesetzgebungsprozesses freute man sich auf fette Ernten bester Qualität und auf Messen wurden den Grow-Stuff-Händlern die Stände eingerannt, Samenbanken waren ausverkauft. Trotz widriger Umstände sah es so aus, als starte im Juli 2024 die große Anbausaison für Clubs und die "grüne Weihnacht" wurde halluziniert. Dann folgte der harte Aufschlag auf dem Boden der Realität.

Auch wir als Verein hatten Anfang des Jahres noch die Idee, einen solch schicken Anbauverein ins Leben zu rufen, doch nachdem wir den Gesetzestextentwurf gelesen hatten, waren wir mit dem Thema schnell durch. Wir hielten die Kontroll- und Berichtspflichten für ein Datenschutzdesaster, der absehbare finanzielle Aufwand war absolut ruinös, wenn man nicht gerade ein gelangweilter Millionär war oder ein windiger Geschäftsmann. Wir entschlossen uns, nicht auf diesen fahlen Gaul zu setzen und gründeten stattdessen einen echten CSC, nämlich einen Club von/für Konsumenten.

Andere stürzten sich enthusiastisch ins Abenteuer, es wurden Vereine gegründet und Gelasse angemietet, Equipment eingekauft und auf das Antragsdatum 01.07. gewartet. Als wir im Netz unsere Ansicht kund taten, dass diese Nummer mit den Genehmigung eigentlich eine verwaltungstechnische Falle sei, warf man uns vor, "unsolidarisch" und sogar "sabotierend" zu agieren. Kaum jemand nahm die Reprohibitionisten ernst, die großmundig verkündeten, das KCanG "maximal restriktiv" auszulegen. Alle dachten dabei an die sinnlosen Abstandsregeln, doch die meinten etwas ganz anderes. Uns war klar, dass man versuchen würde, nach der Schlappe im Bundesrat die stärkste Waffe der Prohibition genau in dem Moment einzusetzen, wo der Mob im Freudentaumel umherspringt, nämlich die deutsche Verwaltung. DAS AMT. Willkommen im Haifischbecken.

Wie kamen wir eigentlich auf die Idee, der Verwaltung solche unlauteren Absichten zu unterstellen? Nun, ich persönlich habe lange Jahre im Sozialsektor als Prozessbevollmächtigter und Rechtsschutzsekretär gearbeitet. Ich kenne die z.T. durchtriebene Vorgehensweise deutscher Verwaltungsbeamter recht gut. Und wer wissen will, zu was solche Leute fähig sind, der möge sich die Videos der Firma Nordwolle bei Youtube einmal anschauen. Bauämter haben bisweilen keinerlei Skrupel, prosperierende Unternehmen und deren Mitarbeitende über die Klinge springen zu lassen. Und aus meinem diesbezüglich reichen Erfahrungsschatz, der mich vor langer Zeit sogar bis vor das Verfassungsgericht führte, kann ich sagen: Es gibt kaum eine Schweinerei, zu der deutsche Behörden nicht fähig wären. Und der Bestimmungsdschungel, den das KCanG da angelegt hat, ist wie gemacht für Fußangeln, Treibsand und Geldvernichtung.

KCanG und CAV

Ich muss ehrlich sagen, mir tun diejenigen leid, die wirklich geglaubt haben, in dem Genehmigungsverfahren ginge es um Gerechtigkeit oder so etwas. Das war nie geplant. Die Anträge, welche von den CAV gestellt werden, um ein paar simple Pflanzen anbauen zu dürfen, betragen dem Vernehmen nach bis zu 200 Seiten. Die Anbauflächen bzw. Räume sollen Sicherheitskonzepte vorweisen wie ein Atomkraftwerk, die Vereine benötigen "Jugendschutzbeauftragte", obwohl in den Vereinen Jugendliche gar nicht Mitglied sein dürfen. Die designierten "Präventionsbeauftragten" warten darauf, dass entsprechende Fortbildungskurse in ihren Bundesländern überhaupt angeboten werden und es hat Monate gedauert, bis die Bundesländer die zuständigen Behörden für die Anträge überhaupt erst benannt haben. Jede Weitergabe in der CAV muss exakt protokolliert werden, der Verein muss im Vorhinein wissen, wie viele Mitglieder er haben wird und was diese zu konsumieren gedenken bzw. wie viel Cannabis geerntet werden wird. Das alles muss bereits bei Antragstellung der Behörde bekanntgegeben werden. Die Bearbeitung der Genehmigung kostet in Schleswig-Holstein mindestens 4.500,- Euro (auch bei Ablehnung!), dazu kommen noch Kosten für Begehung, Laboranalysen von Gras, das noch nicht einmal angebaut wurde, Kameraüberwachung, elektronische Sicherung, Gebäudekosten und Energie, Versicherungen, weitere Behördenkosten usw. usf. Eine CAV, die für 500 Mitglieder anbauen will und ein Gebäude dafür erwirbt, darf mit Kosten in Höhe von über 600.000,- Euro rechnen, bevor das erste Pflänzchen sich dem Licht entgegenreckt.

Woher soll dieses Geld kommen? Mitgliedsbeiträge? Jeder zahlt tausend Euro, bevor er sich ne Tüte drehen darf? Sind das alles FDP-Mitglieder? Bankkredit? Für "Drogen"? Wohl eher nicht. Aber gut, das muss jeder Club für sich selbst im Kostenplan (der auch der Behörde offenzulegen ist) auskalkulieren. Jedoch sorgt allein der erhebliche Finanzierungsbedarf dafür, dass eben die kleinen, eher enthusiastischen Clubs schlichtweg am ausgestreckten Arm der Behörde jämmerlich verrecken. Übrig bleiben die "dicken Fische", die mit Rechtsanwälten ihre Anträge einreichen und mit entsprechenden Finanzpölsterchen ausgestattet sind. Erstaunlicherweise nämlich sind die meisten CAV, die bislang Genehmigungen erhalten haben (derzeit gut 2 Dutzend deutschlandweit) von Geschäftsleuten gegründet worden. Zufall?

Ich gehe davon aus, dass die ganze Aufregung um das Gesetz ne Kaschperlnummer von Söder, Kretschmer und Konsorten war. Während die vor den Kameras aufgeplustert herumstolzierten, grinsten sich die Oberamtsräte in den Behörden eins und flüsterten lächelnd: "Ihr Antragsformular A38 bitte..." Viele Behörden werden die Anträge "ruhend" stellen, bis die allerletzte Frist abgelaufen ist und die Fristsetzungen reinkommen, dann werden "kleine Veränderungen" an den Bedingungen vorgenommen, für die der arme, nette Sachbearbeiter natürlich nichts kann, dann heißt es halt wieder: Warten. "Der Termin für die erforderliche Ortsbegehung? Gern, nur leider ist der Kollege gerade krank, der andere hat Urlaub. Wir melden uns dann." An den Örtlichkeiten wird es IMMER etwas auszusetzen geben. Es sei denn, man kennt da jemanden ...

Auffällig war die unglaublich schnelle, öffentlichkeitswirksame Erteilung von Genehmigungen in Niedersachsen trotz fehlender Antragsbestandteile. Aber gut, das waren Schlipsträger, die da gemeinsam gärtnern möchten... Darüber mag man denken, was man will. In Bayern gibt es (bis jetzt) noch keine Genehmigungen, dafür will der döneressende Bergfürst eine "spezielle Taskforce" für die Kontrolle der CAV einrichten, mit Millionenaufwand. Müsste ich raten, würde ich annehmen, dass vorwiegend hohe Beamte mit einer bestimmten Grundeinstellung zu nicht-alkoholhaltigen Rauschmitteln, die sich durch besondere "Bürgerfreundlichkeit" hervorgetan haben, dorthin versetzt werden. Mit Gratifikation, versteht sich.

Ja. Es wird CAV geben. Aber es werden wenige sein. Viele engagierte Macher werden aufgeben. Sie werden Geld verlieren. Viel Geld. Der Beamtenapparat wird mit den Schultern zucken. Ist ja nicht deren Geld. Das Gros der Konsumenten wird zu Patienten werden oder weiter beim Dealer holen, egal ob er nen weißen Kittel trägt oder nen schmuddeligen Hoodie.

Viele Mitglieder von fragwürdigen "CSC" wie dieser seltsame "Mariana" Verein mit angeblich 18.000 Mitgliedern, wo sämtliche Kohle zum Vorstand fließt, der darüber nach Gutdünken verfügt, werden entnervt abspringen  und frustriert dem Geld hinterherweinen, das sie windigen Geschäftemachern in den Rachen geworfen haben.

Ob es jemals eine - eigentlich versprochene - "Säule 2" mit Fachgeschäften geben wird, ist fraglich. Die aktuelle politische Situation mit drohenden Neuwahlen sorgt dafür, dass all die begeisterten Legalisierungsfreunde im Bundestag in dröhnendes Schweigen verfallen. Man muss sich jetzt hübsch machen für die möglicherweise erforderliche "ganz, ganz große Koalition", die eine Machtübernahme der Faschisten verhindern soll. Im Zuge dieser Verhandlungen werden Teile des KCanG wohl geopfert werden, ich tippe da auf das komplette Verbot öffentlichen Konsums. Den Eigenanbau zu Hause wird man den Leuten lassen, schätze ich. Die CAV wird man vielleicht auch gewähren lassen, aber keine neuen genehmigen.

Die einzige Hoffnung auf eine positive Entwicklung ist im Grunde eine konzertierte, gesamteuropäische Lösung unter Änderung des RB 757 und der Single Convention der UN. Dafür braucht es starke nationale Signale, die allerdings im Zuge des Rechtsdralls der europäischen Gesellschaften immer schwächer werden. Es muss JETZT (!!!) etwas passieren, bevor der Zug abfährt und die Uhren zurückgedreht werden auf 1980.

Bis da etwas geschieht, wünsche ich aufrichtig allen CAVlern viel Kraft und Durchhaltevermögen und allen Konsumenten den Mut, für unsere Rechte einzutreten. Und bitte bedenkt bei der nächsten Bundestagswahl, dass JEDE STIMME ZÄHLT!