Prohibition als Geschäftsmodell

Bereits vor einhundert Jahren ist das große Prohibitionsexperiment der USA (Verbot von Alkohol) kläglich gescheitert. Warum wird an diesem Vorgehen festgehalten?

Merz Prohibition

Cui bono? Durch die Prohibition sind die Mobster der Mafia in Nordamerika zu Multimillionären geworden. Damals wurden die Strukturen begründet, die noch heute den illegalen Handel mit Rauschmitteln ermöglichen und lukrativ machen. Aber fangen wir ganz vorn an.

Der Feldzug gegen die Rauschmittel

Die erste internationale Opiumkonferenz fand vom 1. Dezember 1911 bis zum 23. Januar 1912 auf Initiative der USA in Den Haag statt. Dabei einigten sich die Vertreter aus Deutschland, den USA, China, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, den Niederlanden, Persien, Portugal, Russland und Siam auf den Text eines Internationalen Opium-Abkommens, das am 23. Januar 1912 unterzeichnet wurde und auch für Nicht-Teilnehmer der Konferenz offenstand. Vom 1. bis 9. Juli 1913 sowie vom 15. bis 25. Juni 1914 fanden am selben Ort Folgekonferenzen zur Begleitung des Unterzeichnungs- und Ratifizierungsprozesses statt. 1915 wurde das Abkommen von den USA, den Niederlanden, China, Honduras, und Norwegen umgesetzt und 1919 im Rahmen der Pariser Friedenskonferenz weltweit gültig. Die deutsche Regierung sah damals jedoch keinen Handlungsbedarf und so blieb Cannabis bis 1924 frei in Apotheken erhältlich. Nur diese hatten seit 25. März 1872 das Recht „Indischen Hanf“ zu verkaufen, und zwar als natürliches Schmerzmittel.

Am 17. Dezember 1924 beschlossen die Teilnehmer der „Genfer Opiumkonferenz“ auf Antrag des ägyptischen Delegationsleiters „Indischen Hanf“ unter gleich strenge Kontrolle wie Opium, Morphin, Heroin und Kokain zu stellen. Dies geschah, obwohl u. a. der amerikanische und der chinesische Delegierte zugaben „beinahe nichts über die Sache“ zu wissen. Dennoch wurden keine Experten angehört. Wieder erklärte das Auswärtige Amt: „Dieser Vorschlag ist für Deutschland ohne technisches und kommerzielles Interesse.“

Während einer weiteren Opiumkonferenz wurde am 19. Februar 1925 in Genf ein überarbeitetes Abkommen unterzeichnet und am 25. September 1928 in Kraft gesetzt. Daraufhin wurden auch Drogen wie Heroin, Kokain und - auf Drängen von Ägypten - auch Cannabis gänzlich verboten.

Der Punisher

1930 machte in den USA ein gewisser Harry J. Anslinger von sich reden, als er zum Leiter einer Nischenbehörde mit Namen "Federal Bureau of Narcotics" ernannt wurde. Dieser Mann sollte maßgeblich verantwortlich für den weltweiten Kampf gegen Cannabis werden. Getrieben von "persönlichen Erlebnissen" zog er insbesondere gegen Heroin und Cannabis zu Felde. Er versuchte, seiner Behörde durch bezahlte und lancierte rassistische Artikel über Farbige und Hispanos, die im Rausch angeblich weiße Frauen vergewaltigen würden. 1936/37 wurden diese unglaublichen Lügen dann sogar durch einen Kinofilm zementiert, der den Titel "Reefer Madness" trug [Link zu Youtube] . 

1947 dann kam Anslinger in die UN-Drogenkommission und arbeitete dort mit Nachdruck an der weltweiten Cannabisächtung, die in der Abfassung der Single Convention on Narcotic Drugs endete. So war es letztlich Harry J. Anslinger, der mit seinen Horrorstories von den Cannabishooligans maßgeblich dafür sorgte, dass Cannabis der Prohibition anheimfiel. Nach seinem Tod wurde Anslingers Archiv gesichtet und durch Historiker ausgewertet. Das Archiv enthielt unter anderem rund 200 Horrorstories der Boulevardmedien, von denen die Historiker 198 als falsch oder erfunden bewerteten. Darunter war auch ein von Anslinger selbst verfasster Artikel über den "Victor-Licita-Fall", darin wurde ein Jugendlicher bezichtigt, seine Familie wegen des Cannabiskonsumes mit einer Axt erschlagen zu haben. Tatsächlich war der Jugendliche bei der Tat schwer schizophren und gewaltgeneigt und es gab keine Belege, dass er jemals Cannabis konsumiert hatte.

Anslinger war einer der Architekten des "War on Drugs", dessen Waffen - Desinformation und Fakenews - er selbst hergestellt hatte.

Warum ausgerechnet Cannabisprohibition?

Cannabis gilt weltweit als natürliches Schmerzmittel, das weitgehend nebenwirkungsfrei seit Jahrtausenden zur Behandlung zahlreicher Krankheiten genutzt wird. Doch Ende des 19. Jahrhunderts tat sich in Deutschland der Bayer-Konzern in der Erforschung von Medikamenten hervor. Im Bayer-Stammwerk in Elberfeld beschäftigte sich der Chemiker und Pharmazeut Felix Hoffmann mit der Reaktion von Alkaloiden mit Essigsäureanhydrit, was direkt zu Diacetylmorphin führte. Bayer entwickelte hieraus ein Verfahren zur Synthese von Diacetylmorphin und ließ sich dafür am 27. Juni 1898 den Markennamen „Heroin“ schützen.

Auf der Opiumkonferenz trat nun plötzlich Ägypten vehement für ein Cannabisverbot ein, weil es angeblich die Arbeiter faul mache, während es gleichzeitig die Einfuhrbeschränkungen für das von Bayer vertriebene Heroin fallenließ. Das Wort Hemp bzw. Hanf wurde später in den USA durch das mexikanische Slangwort "Marijuana" ersetzt. Meist wurden in Berichten dazu rassistische Töne angeschlagen: Weiße Frauen würden durch den Konsum sexuell enthemmt, schwarze und mexikanische Männer zu Vergewaltigern und Mördern. So entstand das Narrativ vom "gefährlichen" Cannabis, dem die UN 1961 bei der Abfassung der Single Convention on Narcotic Drugs folgte und die bis zum heutigen Tage maßgebend für die weitere Prohibitionsgesetzgebung ist. Es wurde jedoch ein Totalverbot von Heroin und einigen anderen Drogen zugunsten einer Klassifizierung als besonders gefährliche, aber dennoch verkehrsfähige Substanzen aufgegeben. Dieses Abkommen wurde in Deutschland am 03. Dezember 1973 ratifiziert und trat am 02. Januar 1974 in Kraft.

[Link: Single Convention on Narcotic Drugs]

1962 verkündete das Bulletin on Narcotics der UN-Suchtstoffkommission stolz: „Nach einer klar definierten Übergangsfrist (sie endete 1999) wird der nichtmedizinische Gebrauch von Drogen – wie z. B. das Rauchen und Essen von Opium, der Konsum von Cannabis (Haschisch, Marihuana) und das Kauen von Kokablättern – überall illegal sein. Mitarbeiter der internationalen Drogenkontrolle haben ein halbes Jahrhundert dafür gekämpft, dieses Ziel zu erreichen.“ - von Heroin war nicht mehr die Rede.

1931 entfernte Bayer das Heroin von der offiziellen Produktpalette in Deutschland, allerdings kamen schnell Ersatzprodukte auf den Markt. Bis zum heutigen Tage werden fast ausschließlich Opioid-Erzeugnisse der Pharmaindustrie zur Schmerzlinderung eingesetzt (z.B. Tilidin, Tramadol, Oxycodon [OxyContin], Fentanyl u.a.), was weltweit zu einer furchtbaren Opioidkrise geführt hat, der zum Beispiel in den USA seit Milleniumsbeginn beinahe eine halbe Million Menschen zum Opfer gefallen sind.

Man opferte also das Cannabis dem enorm profitablen Opioidmarkt, der seit einhundert Jahren von wenigen Pharmakonzernen dominiert wird. Die Konkurrenz, also illegale Drogendealer aus aller Welt, wurden mit größter Härte und Milliardenaufwand verfolgt, um die Geschäftsfelder der "Big Pharma" zu schützen.

Das allein ist der Grund, warum Cannabis verboten ist.

Opioide

Ist eine Legalisierung in Deutschland möglich?

Grundsätzlich ja, aber ohne Ärger in der EU geht das wohl nicht. Doch es regt sich etwas in den Weiten des Imperium Romanorum, denn einige Mitgliedsstaaten möchten gern Cannabis und auch andere Rauschmittel legalisieren, weil immer deutlicher wird, dass Prohibition die Rauschmittelnutzung nicht verhindert, sondern - im Gegenteil ! - sogar fördert.

Deutschland hält sich sehr brav an die Prohibitionsabkommen, obwohl das eigentlich nicht nötig wäre. In deutschen KCanG sind einige Formulierungen der Single Convention nahezu wortgleich übernommen worden, so z.B. die Definition von Cannabis gem. Art. 1 Abs. 1 b). Auch die Berichtspflichten der Anbauvereinigungen sind angelehnt, und zwar an Art. 20 Abs. 1. - Eine Legalisierung könnte in Deutschland möglicherweise unter Berufung auf Art. 49 Abs. 1 d) durch Verlassen der Übereinkunft und Wiederbeitritt unter Vorbehalt erfolgen.

Allerdings sind da noch die europäischen Beschlüsse (Unionsverträge), hauptsächlich der Rahmenbeschluss RB 2004 757 JI (Sekundärrecht), zu dem der "Fachbereich Europa" des Deutschen Bundestages 2022 eine Ausarbeitung im Hinblick auf regulierte Abgabe von Cannabis vorlegte. Problematisch ist hier der Art. 2 Abs. 1 a), der im KCanG inhaltsgleich im §2 übernommen wurde. Ohne Änderung dieses Rahmenbeschlusses bzw. auch hier Austritt und Wiederbeitritt unter Vorbehalt ist eine tatsächliche Legalisierung nicht durchführbar. Die Teilentkriminalisierung in Deutschland basiert auf Art. 2 Abs. 2 des RB.

Links zu Dokumenten im Netz (PDF)

[Link: RB 2004 757 JI v. 25.10.2004]
[Link: Richtlinie zur Änderung des RB 2004 757 JI v. 15.11.2017]
[Link: Ratsbeschluss 90/611/EWG vom 22.10.1990]
[Link: Ausarbeitung PE 6-3000-039/22 zum RB 2004 757 JI]