Der Weedmob tobt! Was ist mit der Säule 2?
Alle reden von der sogenannten Säule 2, die im KCanG erwähnt ist: Fachgeschäfte zur kontrollierten Abgabe. Was geht da?
Zunächst einmal muss hier die Lanze gebrochen werden für die Tausende Aktivisten, die im sog. "Weedmob" im Netz dafür kämpfen, dass die Regierung endlich ihre Arbeit macht. Es geht nach der Schlacht um den Vermittlungsausschuss nun um die Einrichtung von Fachgeschäften für die kontrollierte Abgabe von Cannabis. Wieder und wieder wurde der BGM daran erinnert, dass da noch ein Posten offen ist, der jedoch winkte ab und ließ verlauten, dass es dafür lediglich einer Rechtsverordnung bedürfe, die der BLM erlassen könne. Man müsse im BMEL lediglich die zuständige Behörde für das Genehmigungsverfahren bestimmen und los gehts!
Pustekuchen. Der Minister hüllt sich in brüllendes Schweigen und der Weedmob rennt ihm unter jedem Tweet die Tür ein mit unzweideutigen Hashtags (sic!), die zeitweilig sogar trenden. Und? Nix passiert. Özdemir taucht unter und arbeitet lieber an seiner Karriere als künftiger MP in BW. Na toll. Was schert ihn auch sein Geschwätz von gestern.
In der Schweiz ist man ja schon weiter. Dort gibt es Modellprojekte mit gut sortierten Fachgeschäften, in denen Teilnehmer am Projekt ihr Gras kaufen können. Alles tutti, die Kunden freuen sich, weil sie nicht mehr den gelaceden Rotz von der Straße kaufen müssen, den die ehrenwerten Familien von Spanien aus überall in der EU verteilen.
Beliefert werden die Shops in der Schweiz von der Sanity Group, eine Firma, die sich als "Europas führendes Cannabis Unternehmen" selbst feiert. Dabei handelt es sich um einen wachsenden Konzern auf Aktienbasis. Das ursprüngliche Berliner Cannabis-Start-up bekommt Geld vom kanadischen Unternehmen Organigram. Viel Geld. Zuvor haben bereits Stars wie Rapper Snoop Dogg, Model Stefanie Giesinger und Fußballer Mario Götze investiert. Der Geldadel versammelt sich hier im neuen Markt, um den eigenen Reichtum zu mehren. Es ist, wie es immer ist, nicht wahr?
Das Wunder geschieht !?!
Und, wer hätte es gedacht? Kaum sind etliche Millionen im Spiel, schon flutscht es. Titelt doch die Presse plötzlich, quasi aus heiterem Himmel: "Frankfurt will Cannabis-Verkauf fünf Jahre lang testen" [LINK]
Was ist da los? Frankfurt a.M. kündigt über das Sozial- und Gesundheitsdezernat an, man werde künftig in vier Fachgeschäften an registrierte Kunden bis zu 50g Cannabis verkaufen und begleitend eine wissenschaftliche Bewertung durchführen, fünf Jahre lang. Und, wer hätte es gedacht, betrieben werden die Fachgeschäfte von der Sanity Group. Was für ein Zufall. Auch die Stadt Hannover hat Interesse bekundet, gestartet werden soll noch im ersten Halbjahr 2025. Ist das nun ein Schnellschuss aus der Hüfte, oder haben die Grasoligarchen vielleicht nen besseren Draht zum lieben Cem als der Weedmob, der immerhin eine große Anzahl an Nutzern vertritt? Die Wirkmacht von Geldbündeln zeigt sich hier einmal mehr deutlich. Es ist schon ein gewisser Unterschied, ob abertausende Bürger ihre Rechte einfordern oder ob ein aufstrebender, international bestens vernetzter Konzern Pläne zur Umsatzmaximierung schmiedet. Die Sanity Group verdient natürlich schon ganz gut am Apothekengras, aber die Laufkundschaft in Geschäften nimmt man auch gern mit, denn das ist der künftige Markt. Ein Milliardenmarkt. Mit Sponsoren (eigentlich nach KCanG nicht erlaubt, aber ist ja "medizinisch") und Promiwerbung:
Der Verkauf von Konsumcannabis wird kommen, daran zweifeln nur sehr wenige und Ewiggestrige wie die Herren Reul, Merz, Kretschmer, Wendt und andere werden das nicht aufhalten. Das ist ein weltweiter Trend. Aber ist es wirklich nötig, das den Konzernen allein zu überlassen? Es gibt Für und Wider.
- Pro:
Sanity verfügt über das Potenzial, einen großen Markt sofort und nachfragedeckend zu versorgen.
Der Konzern kann eine einigermaßen gleichbleibende Qualität garantieren.
Im Modellprojekt können authentische Datensätze evaluiert werden.
Es gibt schicke Apple-Store-Lookalike Shops statt schmuddelige Pusher-Hinterzimmer.
Das Image des Freizeitgebrauchs von Cannabis wird deutlich verbessert.
Es wird Kapital in den neuen Markt investiert, Arbeitsplätze geschaffen.
- Contra:
Die gesamte Marktmacht konzentriert sich auf wenige Punkte, noch bevor der Markt eröffnet wurde.
Die Sortenvielfalt wird unter der Kommerzialisierung leiden, weil Einheitsgras verkauft wird.
Die Projektlaufzeit von 5 Jahren blockiert politisch die Vollegalisierung, man "wartet ab".
Die Shops werden sich auf Ballungsgebiete konzentrieren, die Landbevölkerung bleibt beim Schwarzmarkt.
Die politischen Extremisten werden diese Modelle als Aufhänger für Populismus nutzen.
Die Gewinne wandern in die Taschen der Investoren, die Abschöpfen.
So weit, so gut. Aber es mutet schon seltsam an, dass die CAV noch immer auf Genehmigungen warten und ihre Kapitaldecke jeden Monat weiter aufgefressen wird, während Sanity Group sich auf dicken Dollarpölsterchen von Snoop Dog genüsslich zurücklehnt und wartet, dass die Politiker endlich entscheiden, was man ihnen sagt. Und die Konsumenten werden vor den Shops Schlange stehen, um zum Kreis der Erwählten zu gehören. Den Vereinen wird das Wasser abgegraben, noch bevor der Brunnen fertig ist.
Es geht schon lange nicht mehr um die Freiheit, sich das Rauscherlebnis selbst aussuchen zu dürfen. Der Eifer und die Euphorie, die noch Anfang des Jahres herrschten, schwinden langsam, weil auch der Weedmob erkennen muss, dass er gegen die Big Player verliert. Als nächstes wird sich ein Großkonzern das Erbgut der Cannabispflanze patentieren lassen (wie bei Gemüse) und dann ist Schluss mit Eigenzucht und kleinen, sehr engagierten Breedern. Cannabis wird zur Industrieware. Legalisiert, genormt, mit EAN-Barcode.
Wer sich der Marktmacht nicht beugt, wird mit Klagen überzogen. Dann gibt es nur noch ein paar Marihuana-Moonshiner, die richtig gute Strains unter der Hand anbieten, der Rest vom Volk kifft Supermarktgras. Macht ja nix, sie trinken ja auch Supermarktbier und essen Supermarktbrot. Alles eine Sache der Gewöhnung. Und dafür sorgt die Sanity Group (klingt wie der Name des Betreibers von Autobahntoiletten, oder?).
Es ist nicht so, dass es nun ein großes Wunder sei, dass es so kommt, das haben wir im Verein schon vor zwei Jahren gesehen. Was allerdings verwundert, ist die Beschleunigungsrate der Entwicklung. Aber: Money rules! So ist das nunmal.