Erneut packt die Reprohibitionsfront eine Fülle an "Argumenten" aus, die belegen sollen, dass die halbherzige Entkriminalisierung von Cannabis eine gesellschaftliche Gefahr darstellt, obwohl die evalkuierenden Experten eine solche nicht festzustellen vermögen. Ist das Dummheit oder böse Absicht?
Worum geht es? § 43 KCanG sieht eine Evaluation des KCanG in mehreren Schritten bis 2028 vor. Dazu sagt es in Abs. 1 Satz 1: „Die gesellschaftlichen Auswirkungen dieses Gesetzes, insbesondere auf den Kinder- und Jugendschutz, auf den Gesundheitsschutz und auf die cannabisbezogene Kriminalität, sind zu evaluieren."
Für diese Aufgabe wurde eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe eingerichtet, die nun Ende September 2025 ihren ersten Zwischenbericht vorstellt, der die Entwicklung der Situation in den Quartalen II-IV 2024 und I-III 2025 beleuchten soll.
-> Link: PDF 1. Zwischenbericht EKOCAN
Die gute Nachricht vorweg: Der Weltuntergang wegen Cannabis fällt aus. Konsum unter Jugendlichen rückläufig, Dunkelfeldaufhellung etabliert sich, gut 50% weniger Strafverfahren und keine "konsumnahen Delikte" mehr, erstaunlich wenig Ordnungswidrigkeiten.
Jetzt kommt der faszinierende Teil. In den deutschen Medien wird ein ganz anderes Szenario ventiliert. Dort ist vom "blühenden Schwarzmarkt" (sic!) die Rede und von "Konsumzunahme unter jungen Erwachsenen" und vom "Versagen des KCanG".
Zur Einordnung nochmal stichpunktartig einige Ergebnisse:
Und das lesen/sehen wir am 29./30.09. in der Presse bzw. bei der Politik:
Von welcher "Legalisierung" faseln diese Leute da eigentlich andauernd? §2 KCanG mal gelesen? Das ist alles so gottlos gelogen. Es geht faktisch um Markterhalt von Brauern, Brennern und Pillendrehern. Sonst nix. Oder warum bearbeitet das Referat 512 "Absatzfördermaßnahmen Wein" die Anträge für Modellprojektgenehmigungen? Am schwierigsten ist dieses sogenannte "Argument", der Schwarzmarkt ginge ja schließlich nicht zurück und diese Anbauvereinigungen brächten ja auch nichts. Zum Thema Bezugsquellen hier eine grafische Darstellung der Ergebnisse des 1. EKoCan-Zwischenberichtes:
Eine deutliche Verschiebung der Bezugsquellen von 100% Schwarzmarkt in Prohibitionszeiten zu einem realistischen Wert irgendwo im untersten zweistelligen Bereich ist hier ersichtlich, und das TROTZ der Verhinderungspolitik der Länder, was die Anbauvereine angeht. Schlimmstes Beispiel ist Bayern, wo die Anbauvereine von der Verwaltung absichtlich sabotiert werden. Eigenanbau verhindern, Modellprojekte ablehnen und dann herumjammern, dass dieses Gesetz ja nichts bringt - auf diesem Niveau (unter dem eine Kellerwohnung frei ist) bewegt sich das Unionsframing. Die SPD hält zaghaft dagegen, von den Grünen hört man überhaupt nichts mehr und auch die Linke hält sich bedeckt.
Nun meldet der Herr Streeck, seines Zeichens erster Verkünder der Reprohibition im Unionsreich, Entscheidungswillen "im Herbst" an. Abgesehen davon, dass dieser Mann allenfalls entscheidet, welche Krawatte er umbindet, interessiert es tatsächlich niemanden, was ein solcher Grüßaugust zu melden hat.
Er hält es auch für problematisch, dass weniger Jugendliche nun durch Jugendämter und Jugendrichter zu ihrem möglichen Cannabiskonsum befragt werden, obwohl sich in diesem Bereichg gar nichts geändert hat. Gleichzeitig übrigens werden für nicht-diakonische Präventionsvereine Fördergelder gestrichen, was diese gemeinnützigen Vereine an den Rand der Insolvenz bringt und sie handlungsunfähig macht. Genau das ist dem Verein VierZwanzig e.V. (www.drogen.wtf) passiert. Klarer Fall für die Union: Das Gesetz wirkt einfach nicht.
Streeck behauptet auch wahrheitsfern in den Medien, Jugendliche kämen inzwischen "viel leichter an Cannabis" - Wie machen die das? Quasi-legales Cannabis ist nur im entkriminalisierten Eigenanbau von Erwachsenen verfügbar und die Abstandsgebote bzw. Konsumverbotszonen verringern die Verführung. So war es vom Gesetzgeber vorgesehen und es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass der Konsum unter Jugendlichen steigt, im Gegenteil.
Auch, dass viele Menschen (wohlgemerkt als Selbstzahler) für ihre Leiden das medizinische Cannabis im Telemedizinbereich benutzen, ist der Industrie ein Dorn im Auge. Streeck und Warken wollen nun den Versand von Cannabisblüten abschaffen und den Zugang zu MedCan erschweren. Ob das etwas damit zu tun hat, dass ein guter Freund des feinen Herrn Streeck (Clemens Fischer) gerade ein (verschreibungspflichtiges) pharmakologisches THC-basiertes Medikament zur Marktreife entwickelt, wer weiß?
Immer noch wird wahnhaft über vermeintliche Gefahren von Cannabis lamentiert. Sicher, schadhafter Konsum kann negative gesundheitliche Folgen zeitigen, aber das ist bei Mineralwasser auch der Fall. Während bei Cannabis die tödliche Dosis irgendwo bei 700 kg liegt, sind es bei Aspirin schon 20g. Der völlig überzogene Konsum des Nerven- und Zellgiftes Alkohol gilt als Teil der deutschen Leitkultur, während eine seit Jahrtausenden kulturell verwurzelte Heilpflanze verteufelt wird. In einigen Bundesländern gilt es als "erzieherische Maßnahme", wenn 14-jährige gemeinsam mit den Eltern Alkohol konsumieren. Ist das bei Kokain auch so?
Da die öffentliche Diskussion das Parkett der Faktenabwägung zugunsten der Propagandalüge mittlerweile gänzlich verlassen hat, bleibt eigentlich nur noch der Schritt zur Polemik, Satire und letztlich in den Sarkasmus als Stilmittel der Konversation. Echte Argumente und Fakten will niemand mehr hören resp. sehen. Heutzutage zählt hauptsächlich der populistische Schnellschuss, dem man im Grunde allenfalls noch mit bitterer Ironie beikommen kann. Wir können über die Durchtriebenheit der Politiker nur noch lachen, denn auch wenn die Legalisierungsbefürworter Recht behalten, sie werden es nicht bekommen. Man wird sie einfach niederpöbeln und die Deutungsmajorität der etablierten Wirtschafts- und Politikstrukturen nutzen, um die Reprohibition durchzusetzen.
Cannabis war einhundert Jahre lang komplett verboten. Hat das den Konsum in irgendeiner Weise eingeschränkt? Nein. Zu keiner Zeit. Die Prohibition ist gescheitert, wie sie es schon immer ist. Nie verdienten Kriminelle mehr Geld als zu Zeiten der Prohibition, das gilt für Alkohol ebenso wie für andere berauschende Substanzen. Die Politik hält sich die Augen mit dicken Banknotenbündeln zu. Man ignoriert die Probleme lieber, als an echten Lösungen zu arbeiten. Und der Ärger im Netz lässt sich mit Redeverboten, Strafverfahren und einem Maßkrug voller Gerstenbräu vom Tisch wischen. Dass während der "Kulturveranstaltung Oktoberfest" die Trunksüchtigen auch mit Kiloweise Schnee aus Südamerika ihren Spaß haben, übersieht man geflissentlich. Amigos halt. Da geht mehr, als manch einer denkt. Kleine (theoretische) Statistik:
Prävalenz 16-64 Jahre: ca. 0,6% , bei 6 Mio. Besuchern = 36.000 Konsumenten in 6 Tagen
angenommene Konsummenge (Dosis ca. 100 mg) pro Konsument: 1 g / 6 Tage = 36 kg in 6 Tagen
Preis: ca. 50,- €/g bei 36.000 g = 1.800.000 € / 6 Tage
Da wird also für beinahe zwei Millionen Euro Nasenbrause weggezogen, in den Promizelten gibt es in den Toiletten extra Tischchen zum Nase pudern. Aber wehe (!!!) Du hockst am Kotzhügel und rauchst in Ruhe einen Joint... Das geht GAR NICHT, da klicken die Handschellen! Oans, zwoa, g'suffa! O'schnupf is!
Diese Ungleichbehandlung muss aufhören. Bürger sind keine Kleinkinder, die aus Neugier auf die Herdplatte fassen. Es ist nicht erforderlich, die Bürger zu drangsalieren, zu manipulieren oder zu sanktionieren, denn die erwachsenen Menschen wissen ganz gut, was sie wollen und was sie tun.
Um die Probleme des Jugend- und Gesundheitsschutzes, des Schwarzmarktes, der Qualiätssicherung und der Verfügbarkeit von legalen Rauschmitteln zu lösen, bedarf es einer echten und tatsächlichen Legalisierung durch ein Rauschmittelgesetz. Hier ein Vorschlag dazu: https://drogen.wtf/dl/RauMiG.pdf